Für unser 150-jähriges Jubiläum plante die Fachgruppe Geschichte eine Doppelstunde zur Geschichte unserer Schule. Alle Klassen gestalteten mit Hilfe von Informationstexten und Quellen einen Zeitstrahl. Dabei zeichneten sie einerseits wichtige Entwicklungen der Geschichte von 1875 bis heute nach. Andererseits setzten sie sich auch mit konkreten Ereignissen an unserer Schule auseinander.

Auf einer makrogeschichtlichen Ebene beschäftigten sich unsere Schüler*innen mit der Zeit um 1900, dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie der 2. Republik nach 1945. Dabei erfuhren sie z.B. mehr über die Gründung des Bezirks Brigittenau in der Blütezeit der Habsburgermonarchie um 1900, die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf Österreich bzw. Wien und das Abgleiten in die Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur. Auch der „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland und dessen Folgen wurden thematisiert, bevor sich die Schüler*innen mit der jüngeren Vergangenheit beschäftigten: Vom schwierigen Wiederaufbau und dem auch durch die sog. „Gastarbeiter*innen“ ermöglichten Wirtschaftswunder über die gesellschaftspolitischen Reformen der 1970er bis hin zur „Waldheim-Affäre“ setzten sie sich mit der Geschichte der 2. Republik auseinander.
Quelle: Jahresbericht unserer Schule 1900/1901
In einem zweiten Schritt widmeten sie sich schließlich auf der mikrogeschichtlichen Ebene der Geschichte unserer Schule. Über Statistiken aus unseren Jahresberichten, Texte aus unseren Schulchroniken, verschiedene Zeitungsartikel, aber auch aus Tagebucheinträgen ehemaliger Lehrpersonen und Briefen ehemaliger Schüler*innen gewannen unsere Schüler*innen einen lebendigen Einblick in die Geschichte unserer Schule. Dabei erfuhren sie zum Beispiel, dass unsere Schule ursprünglich in der Glockengasse im 2. Bezirk gegründet wurde und damals ein Großteil der ausschließlich männlichen Schüler jüdisch war. Im Jahr 1900 übersiedelte unsere Schule dann in den damals höchst modernen Neubau an unserem heutigen Standort in der Unterbergergasse bzw. Karajangasse.

Aus der Zeit des Ersten Weltkriegs ist ein Foto erhalten, das unsere Schüler im Schulhof beim „Trockenschwimmen“ zeigt. Dadurch wird ersichtlich, wie die Militarisierung der Gesellschaft auch vor der Schule nicht Halt machte.
(Quelle: Jahresbericht unserer Schule 1900/1901)
Die Bildungsreformen der Ersten Republik ermöglichten es Mädchen erst in den 1920er-Jahren, unser Gymnasium zu besuchen. Wie aus anonymen (und falschen) Anschuldigungen gegen die ehemalige Lehrerin, Prof. Sabine Deutsch, hervorgeht, war das gemeinsame Unterrichten von Mädchen und Buben in einer Klasse (= Koedukation) aber alles andere als unumstritten.
Das Abgleiten der 1. Republik in eine Diktatur, das Aufkommen des Nationalsozialismus in Österreich und die Auswirkungen des sog. „Anschlusses“ Österreichs an NS-Deutschland konnten die Schüler*innen auch durch Tagebucheinträge des ehemaligen Lehrers Prof. Philipp Flesch mitverfolgen.
Mit der Geschichte der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Mitschüler*innen während des Nationalsozialismus setzten sie sich z.B. anhand der Geschichte der Geschwister Kösten auseinander. Auch über die Tatsache, dass unsere Schule 1938 von den Nazis als Gefängnis (sog. „Notarrest“) für politische Gegner und Juden verwendet wurde, wurden unsere Schüler*innen unterrichtet. Aus diesem Grund gibt es seit den 1980er-Jahren an unsere Schule eine Gedenkstätte, die von engagierten Schüler*innen und Lehrer*innen selbst gestaltet wurde. Ihrer Eröffnung wohnte auch Altbundeskanzler Dr. Bruno Kreisky bei, der selbst im „Notarrest“ inhaftiert war.

Quelle: Jahresbericht unserer Schule 1988/1989
Die Gedenkstätte Karajangasse ist bis heute ein wichtiger Lernort für unsere Schüler*innen sowie Interessierte aus ganz Österreich. Über dies ist sie aber auch ein Erinnerungsort für Angehörige der Opfer des Nationalsozialismus.
Erst nach 1945 entwickelte sich unsere Schule langsam zu dem, was sie heute ist: ein Ort der Vielfalt, der Chancen und des Miteinanders, der die Biografien von unzähligen Schüler*innen und auch Lehrer*innen mitgestaltet.